LGA Membran­tragwerke als statische Heraus­forderung

Membran­tragwerke als statische Heraus­forderung

Peter Budig

PRÜFAMT FÜR STANDSICHERHEIT DER LGA IN NÜRNBERG REALISIERT „POSITIVE VERIFIKATION“

Fragile Strukturen mit extrem flexiblen Nutzungsformen: Nomadenzelte sind ideale Veranstaltungsorte, gerade in Coronazeiten.

Das Prüfamt für Standsicherheit in Nürnberg mit seinem Referat für Fliegende Bauten prüft im Rahmen einer Erstprüfung, ob trotz der extremen Leichtigkeit auch die notwendige Steifigkeit durch den sorgfältigen, vorgespannten Aufbau realisiert werden kann. „Diese ist notwendig, um gegenüber den maßgeblichen Einwirkungen ausreichend Widerstand zu erbringen.“, führt der zuständige Projektleiter Dr.-Ing. Ingo Kurzhöfer an.

Das Alleinstellungsmerkmal der vorgespannten Membrankonstruktionen liegt in dem mechanisch optimalen Zusammenspiel aus erzwungenem und eingeprägtem Aufbau und verwendetem Material. Die rein auf Zug belastete dünne Membranstruktur wird im Lauf des Entwurfsprozesses über ein Formfindungsverfahren (unter Berücksichtigung der inneren Vorspannungsverteilung) in eine geometrische Konstruktion verwandelt, bei der sich ein stabiler Gleichgewichtszustand der Zugspannungen innerhalb der Membran einstellt. Es kann dabei keinerlei Widerstand durch Biegung oder Querschub aktiviert werden. Eine Änderung der eingeprägten Vorspannung würde auch eine Änderung der geometrischen Ausformung bewirken, bei der sich die doppelten Flächenkrümmungen neu ausrichten. Die resultierenden Flächen und Formen sind auf Basis von mechanischen Gesetzmäßigkeiten (Gleichgewichtsbedingungen) klar definiert und dennoch sind die denkbaren Anzahlen der unterschiedlichen Formen mannigfaltig. Voraussetzung für die Möglichkeit der Prüfung dieser mechanischen Sonderkonstruktionen ist ein leistungsfähiges Berechnungsverfahren, welches im Rahmen des modernen Ingenieurbaus über Dimensionierung mit händischen Berechnungen und Überschlagsformeln hinausgeht und die nötige Detailtiefe zur Beurteilung der Standsicherheit zur Verfügung stellt. Dabei hat sich im Membranbau wie in vielen anderen Ingenieurdisziplinen die Methode der finiten Elemente bewährt und diese bietet zahlreiche Möglichkeiten hinsichtlich der Modellierungs- und Berechnungskomplexität. Die derzeitigen Prüfungen und Vergleichsrechnungen werden mit dem kommerziellen FE-Programm ANSYS Workbench Version 2020 R1 durchgeführt, welches für den expliziten numerisch-mechanischen Spezialeinsatz sehr gut geeignet ist. Durch den gezielten Einsatz der modernen Berechnungsmethoden und die ergebnisorientierte und professionelle Zusammenarbeit aller Beteiligten konnten neben den fundamentalen Themen wie Standsicherheit und Dauerhaftigkeit auch Aussagen zu Spezialpunkten wie Wassersackbildung oder Durchschlagen (Krümmungswechseln) infolge von Wind getroffen werden und so eine positive Verifikation realisiert werden. Für die Zukunft wird die aufgezeigte Synthese – aus anmutigen, leichten und coronakonformen Zeltbauweisen und komplexer mit modernen Berechnungsmethodiken behandelbarer Mechanik – ein interessantes und besonderes Themengebiet für das Prüfamt für Standsicherheit in Nürnberg mit seinem Referat für Fliegende Bauten darstellen, dem wir uns gerne mit der notwendigen Sorgfalt und Hingabe widmen.

NOMADEN­ZELTE

Neuartige Nomadenzelte sind die moderne Reaktion auf eine der ältesten flexiblen Behausungen der Welt: Die Zelte der Nomaden oder Jurten sind seit Jahrtausenden das Heim von Hirten und Reisevölkern in unwirtlichen Gegenden. Seit fast 5000 Jahren wurden diese meist aus einer Tragkonstruktion und handgewirktem Filz bestehenden Rundhütten gebaut, in kurzer Frist abgebaut und umgezogen. Der Filz bestand aus Schaf-, Ziegen- oder Kamelhaar, das Dach – je nach Jahreszeit aus mehreren Lagen – war luftdurchlässig und trotzdem wasserdicht.

„Hochwertige Stretchzelte“, so benennt beispielsweise der südafrikanische Hersteller Nomadik Tents seine Produkte, die durchaus strukturelle Ähnlichkeiten mit den historischen Vorläufern besitzen. Seit 2002 beliefert die Firma, deren Hauptsitz in Johannesburg ist, Kunden in aller Welt. Inzwischen gibt es zahlreiche Niederlassungen, unter anderem in Europa. Filz hat als Baustoff ausgedient, doch naturgemäß sind die Stoffe für die hochmodernen, leichtgewichtigen Bauten eines der entscheidenden Qualitätskriterien: Eigens für Nomadenzel te geliefertes „Contour-beschichtetes Gewebe“ wird je nach Zweck für nicht selten maßgeschneiderte Zeltbauten verwendet. Längst haben Ultraschall– Schweiß-technologien herkömmliche Nähmethoden ersetzt. Nicht immer dienen diese Zelte zeitlich begrenzten Zwecken. In Gärten, an Pools oder historischen Bauten können sie, farblich angepasst oder auffallend dekorativ auch langfristige Aufgaben erfüllen. Die Lebensdauer geben die Produzenten der Zelte mit etwa zehn Jahren an. Im Rahmen der LGA Prüfregularien aber gelten sie als „Fliegende Bauten“. Ein Blick in die Galerie der Hersteller offenbart die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten: Vom kleinen Sonnenschutz über einem Pool oder einer Terrasse bis zur eigens errichteten Zeltstadt inmitten einer Einöde ist nahezu alles denkbar. Flexible Messebauten, ganze Märkte, stylische Party-Lounges, Vorbauten für Hotels oder Kongresshallen, der Mittelpunkt einer Strandanlage oder Ort einer Hochzeit oder eines Firmenjubiläums – der Einsatz der flexiblen Bauten ist schier unendlich. In Coronazeiten besonders nützlich sind offene Strukturen ohne Seitenwände, die Witterungsschutz bieten, aber Luft zirkulieren lassen.

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