LGA Das Bauen auf alten fränkischen Keller­anlagen

Das Bauen auf alten fränkischen Keller­anlagen

Ulrich Sieler & Thomas Hüttl

HISTORISCHE KELLER­ANLAGEN SIND TYPISCH FÜR FRANKEN. FÜR DIE BÜRGER SIND SIE NICHT SELTEN BELIEBTE AUSFLUGS­ZIELE, FÜR DEN BAU­INGENIEUR BERGEN SIE MANCHE TÜCKEN

In Franken befinden sich sehr häufig unter oder am Rande der historischen Ortskerne ausgedehnte Kelleranlagen. Bekannte Beispiele sind die Felsenkeller unter dem Nürnberger Burgberg, die Keller in Erlangen („Berg“-Gelände), Fürth, Forchheim, Schwabach und Ansbach sowie eine Vielzahl von Kellern bei kleineren Ortschaften. In Franken sind viele dieser Keller beliebt und bekannt als Ausflugsziele, weil oft an ihrem Ausgang ein Ausschank stattfindet. Daher kommt auch die für Nichtfranken etwas kryptisch erscheinende Aussage „auf die Keller gehen“, womit gemeint ist, dass man sich hier trifft, eine Brotzeit genießt und ein frisch gezapftes Bier trinkt – gerne in Verbindung mit einer Wanderung. Damit erklärt sich auch die Ursache für ihren Bau, nämlich die Einlagerung von Eis zur Kühlung des Biers und von Lebensmitteln in den Sommermonaten.

HISTORISCHES

Die Entstehungszeit der Keller reicht vom frühen 14. bis in das 19. Jahrhundert. Ihr Bau ging einher mit der Einführung des untergärigen Biers, das Temperaturen von 6 bis 10 Grad verlangte. Man darf nicht vergessen, dass im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit etwa die fünffache Menge an Bier konsumiert worden sein soll wie heute. Allerdings berichten die historischen Quellen auch von einem deutlich geringeren Alkoholgehalt. Ein weiterer Antrieb zur Auffahrung der Stollen war die Gewinnung von sogenanntem „Stubensand“, der ein begehrtes Reinigungs- und Scheuermittel darstellte. Während des 2. Weltkriegs wurden viele der Stollen dann zu Luftschutzräumen ausgebaut. Die Keller wurden in der Regel händisch ausgebrochen, zumindest im Keuper wurden die Stollen mit einer Breite von etwa zwei bis vier Meter und einer Höhe von etwas über zwei bis vier Meter hergestellt. Bei günstigen geologischen Verhältnissen wurden diese Stollen nicht selten zu Lagerräumen aufgeweitet, die bei größerer Ausdehnung auch Stützpfeiler aus Fels erhielten. Speziell im Nürnberger Burgberg wurde eine Vielzahl von Stollen in mehreren Ebenen aufgefahren, was fundierte Kenntnisse im Markscheidewesen (Vermessen unter Tage) voraussetzte. Zutritte von Schichtund Oberflächenwasser machten oftmals ein ausgeklügeltes System an Entwässerungsstollen erforderlich. Hierdurch wurden auch die Schmelzwässer der zur Kühlung des Bieres und des Lagerguts in der Winterszeit eingebrachten großen Eisblöcke in freiem Gefälle zum nächstgelegenen Vorfluter abgeleitet.

GEO­LOGISCHER HINTER­GRUND

Die Keller wurden in vielen Fällen in den Sandsteinen der Trias (in Franken hauptsächlich im Keuper) sowie des Juras (hier überwiegend im Doggersandstein) aufgefahren, die sich verhältnismäßig leicht lösen ließen. Bei der Herstellung wurde gerne das steilstehende Kluftsystem genutzt, wodurch gerade bei offenen Klüften ein leichterer Abbau möglich war. Tonsteinlagen erleichterten ebenfalls den Abbau, führten aber bei der späteren Nutzung häufig zu Standsicherheitsproblemen, die schon in historischer Zeit durch den Einbau von Ausmauerungen und Stützbögen gelöst wurden.

DIE STAND­SICHERHEIT ALTER KELLER

Während der Bauzeit wurden – soweit uns bekannt – keine statischen Untersuchungen durchgeführt. Die Erfahrung aus der jahrzehntelangen Tätigkeit der Experten der LGA Bautechnik zeigt, dass Kellersysteme, die aktuell noch genutzt werden, sich generell in einem wesentlich besseren Erhaltungszustand befinden. Solche Stollenanlagen bedürfen einfach regelmäßiger Ausbesserungen und Abstützungen an mit der Zeit entfestigenden Felsbereichen. Auch die Bewetterung (also die Belüftung) und die Entwässerung der Kelleranlagen ist von großer Bedeutung für den langfristigen Erhalt der Standsicherheit der Stollen. Stehendes Wasser am Kellerboden, unzureichende Luftführung und fehlender Unterhalt durch regelmäßige Ausbesserungen führen sukzessive zu einer Beschleunigung der natürlichen Entfestigung der oft tonig gebundenen Sandsteine und damit zu möglichen Standsicherheitsgefährdungen für darüber liegende Gebäude und Verkehrswege. Die Problematik einer statischen Standsicherheitsuntersuchung ergab sich erst in neuerer Zeit, wenn Standsicherheitsnachweise etwa bei neuer Überbauung oder Stollenanlagen unter Verkehrswegen gefordert wurden. Hierfür bietet sich die bereits im 18. Jahrhundert entwickelte Gewölbestatik an, die jedoch nicht vorsieht, Störungen wie Klüfte zu berücksichtigen. Erst die neuere Finite-Elemente- Methode (FEM) berücksichtigt die tatsächlichen geometrischen Verhältnisse und ist für Standsicherheitsnachweise auch alter Stollenanlagen geeignet. Das Grundbauinstitut der LGA verfügt über langjährige Erfahrungen mit solchen Berechnungen.

REGEL­MÄSSIGE ÜBER­PRÜFUNGEN

Die Stollen müssen, soweit Sie unter öffentlichen Flächen liegen, regelmäßig nach DIN 1076 begangen und überprüft werden. Die LGA ist hier mit ihren Sachverständigen für Bauwerksinspektion schon seit Jahrzehnten tätig. Für regelmäßige Begehungen, Untersuchungen und Veränderungsfeststellungen, vor allem nach Einstürzen, Verbrüchen (bis hin zu Tagbrüchen) oder beim Auffinden von bislang unbekannten Kelleranlagen, werden die Geologen des Grundbauinstituts eingeschaltet. Das Grundbauinstitut führt bei Überbauungen und naheliegenden Bauwerken auch Finite-Element-Berechnungen zur Beurteilung der Standsicherheit durch. Weiterhin werden örtliche Begutachtungen und Zustandsfeststellungen häufig durch felsmechanische Laborversuche ergänzt, um die Kellereigentümer und zuständigen Behörden bei anstehenden Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen zu beraten.

DIPL.-ING. ULRICH SIELER

ist Leitender Baudirektor und Leiter des Grundbauinstituts der LGA Bautechnik. Als Prüfsachverständiger für Erd- und Grundbau und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Rohrvortrieb, Tunnelbau und Baugruben ist er seit vielen Jahrzehnten ausgewiesener Experte für unterirdische Hohlraumbauten.

DIPL.-GEOL. THOMAS HÜTTL

ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Baugrunduntersuchungen, Gründungen, Rutschungen und Felssicherungen und seit mehreren Jahrzehnten mit der Begutachtung von historischen Kelleranlagen befasst.

BUCHTIPPS

Das Thema „Fränkische Keller“ ist eng verwandt mit dem Thema „Fränkische Biere“. „Auf die Keller gehen“ ist eine typische Redewendung, die mit Biergenuss, deftiger Brotzeit und freundschaftlicher Verbundenheit assoziiert wird.

33 BIERE – EINE REISE DURCH FRANKEN

Anders Möhl, Elmar Tannert Ars vivendi Verlag

DIE SCHÖNSTEN BIER­KELLER UND BIER­GÄRTEN IN FRANKEN

Bastian Böttner, Markus Raupach Verlag Nürnberger Nachrichten

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