LGA Vom Wunder­mittel zum Supergift

Vom Wunder­mittel zum Supergift

Peter Budig

DIE LEHRREICHE GESCHICHTE DER PFAS-VERWENDUNG UND WIE DIE LGA-GEO MIT IHREN HINTERLASSENSCHAFTEN KÄMPFT

Was für ein Wundermittel: eine künstlich hergestellte chemische Verbindung mit zahllosen, nützlichen Verwendungsmöglichkeiten. Die Beschichtung der Teflonpfanne, die kaum Anhaftungen zulässt, fettarm kann gebraten werden; Allwetterkleidung, atmungsaktiv, wasserfest; Imprägnierspray für die Winterschuhe; sogar beim Metzger das beschichtete Papier, in dem der Schinken lange schmackhaft-frisch blieb; der Pizzakarton – das alles war PFAS-beschichtet.

Als vor etwa 80 Jahren in den Werken von DuPont und 3M die zur PFAS-Gruppe gehörenden Substanzen Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) von Chemikern entdeckt wurden, da glaubte man an ein Wunder, das unzählige marktfähige Anwendungen zuließ. Und so war es ja auch – erst einmal. In Farben, Leder- und Textilbeschichtungen, Schuhen, Teppichen, Verpackungen, Skiwachs, Boden- und Autopflegemitteln sowie zur Produktion von Papieren mit schmutz-, fett- und wasserabweisenden Eigenschaften und als Bestandteile von Imprägnier- und Schmiermitteln kamen Sie zum Einsatz.

„Halogene sind äußerst reaktionsfreudig, und die Verbindung eines Halogens (Fluor, Chlor, Brom, …) mit einem Kohlenstoff ist das Stabilste, was es gibt“, erläutert Carlo Schillinger, Geologe und Geschäftsführer der LGA Institut für Umweltgeologie und Altlasten GmbH (LGA-geo.de). Die Halogene docken z. B. anstelle von Wasserstoffmolekülen an Kohlenstoffketten an und die entstehenden Verbindungen sind an einem Ende wasser- und am anderen fettliebend, sehr stabil, kaum abbaubar und nur mit extremer Hitze zerstörbar (deshalb als Löschschaum am Flughafen oder auf Militärgeländen gerne eingesetzt worden).

KLEINE CHEMIEKUNDE ÜBER HALOGENE

„Die Halogene stellen die 7. Hauptgruppe des Periodensystems dar. Zu ihnen gehören die Elemente Fluor, Chlor, Brom, Iod und das seltenste natürlich vorkommende Element, das radioaktive Astat (Zerfallsprodukt des Urans). Halogene sind Nichtmetalle und bilden im elementaren Zustand zweiatomige Moleküle, deren Flüchtigkeit mit zunehmender Ordnungszahl abnimmt. Weil den Halogenatomen nur ein einziges Elektron fehlt, um Edelgaskonfiguration zu erreichen, reagieren sie leicht, indem sie Elektronen aufnehmen. Aufgrund ihrer großen Reaktivität kommen sie in der Natur nur in Form ihrer Verbindungen vor.“

Quelle: aus dem Lexikon lernhelfer.de

„Leider liegt hier Gut und Böse ganz nah beieinander“, klärt der Geologe Hendrik Belz auf, der sich bei der LGA-geo auf die Erkennung und Beseitigung von Umweltgiften spezialisiert hat. „Die PFOS-Substanzen stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Es gibt mehr als nur PFOA und PFOS, nämlich über 4000 bis 8000 PFAS-Verbindungen, und man weiß längst nicht bei allen, welche gesundheitszerstörenden Wirkungen sie im Einzelnen besitzen“. Die Grenzwerte für Unbedenklichkeit werden seit Jahren, mit zunehmender Forschung, herabgesetzt. PFAS steht neben der Kanzerogenität im Verdacht, hormonell wirksam zu sein – ein Killer in Natur und Umwelt. Man befürchtet, dass es für eine verringerte Impfwirksamkeit, einen erhöhten Cholesterinspiegel, für Schilddrüsenerkrankungen und verminderte Fruchtbarkeit verantwortlich sein könnte. Und was die Verbindung so nützlich machte, das ist jetzt die Krux beim Versuch, sie wieder loszuwerden: „Kleinste Bodenverschmutzungen gelangen ins Grundwasser, sie können kaum herausgefiltert und vernichtet werden. Sie kommen in winzigen Spuren überallhin und das reicht, um Unheil anzurichten“, so Belz. PFAS wurde in der Leber von Eisbären am Polarkreis nachgewiesen, kleinste Mengen reichen für die schädlichen Wirkungen aus; „ein Zuckerwürfel im Stausee“, so macht Belz die Gefahr bildhaft. „Die Anreicherungskette ist das Problem“, erläutert der junge Geologe, „vom Boden ins Wasser, vom Wasser in den Karpfen …“

Den Spezialisten der LGA-geo geht die Arbeit nicht aus, bei Grundstücksverkäufen ist die Unbedenklichkeitsexpertise der Böden längst Routine. Erkundungen, Luftbildauswertung, Bohrungen, historische Forschung, Probenuntersuchungen – wahre PFAS-Detektivarbeit ist von Nöten. Und wo das Teufelszeug nachgewiesen ist, da wird es teuer. Die Böden müssen abgetragen und als „gefährlicher Abfall“ entsorgt werden. Die einzige Möglichkeit, es wieder loszuwerden, sind Extraktionen über Bodenwäsche oder Aktivkohlefilter. Oder der belastete Boden muss extrem heiß, bei über 1000 Grad, ausgebrannt werden. In Zeiten von Nachhaltigkeitsfragen auch keine praktikable Lösung … Man fragt sich, warum das Teufelszeug nicht längst verboten ist? „Die Verwendung von PFOS ist in der EU bereits seit 2006 und die von PFOA seit Juli 2020 weitgehend verboten, doch da es so viele Verbindungen gibt, hat die herstellende Chemieindustrie viele Ausweichmöglichkeiten“, so Belz achselzuckend. Es ist eine Entscheidung, Vernunft gegen Ertrag, ein Kampf gegen Windmühlen.

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