LGA Verdeckte Ermittlungen im Kurhaus Göggingen

Verdeckte Ermittlungen im Kurhaus Göggingen

Peter Budig

SICHERHEIT ALS TEAMWORK VON KLASSISCHER BAUWERKSPRÜFUNG UND -MONITORING

Für Veranstaltungen der Saison 2023/24 im Parktheater im Kurhaus Göggingen hat der Vorverkauf schon im Juni 2023 begonnen. Die Queenz of Piano, die bekannten Fürther Komiker Heißmann und Rassau gehören zu den Künstlern, die in der Saison 2023/24 auftreten werden.

Die Eröffnung des Parktheaters im Kurhaus Göggingen fand am 2. Februar 1996 statt. Doch das ursprüngliche Gebäude, ein „Palmengarten mit Curhaustheater“, eine „lichtdurchflutete Eisen- und-Glas-Konstruktion … als Multifunktionsgebäude, als Theater- und Konzertsaal; … für Bankette, Bälle, Tagungen“ 1) wurde bereits 110 Jahre früher, am 25. Juli 1886, eröffnet. (Geschichte des Baus kurz und knapp: siehe Kasten). Damals begann die wechselhafte Geschichte dieses prachtvollen Gründerzeit-Gebäudes.

KURZE BAUGESCHICHTE DES KURHAUSTHEATERS GÖGGINGEN

Ein schicker Wintergarten inmitten einer Parkanlage, das war im späten 19. Jahrhundert der letzte Schrei. So entstand das „ Kurhaustheater“ – im Grunde als der Spaßpalast zur Ergänzung einer luxurösen Klinik, der „Hessing’schen Ökonomie- und Heilanstalt“ (heute: Hessing-Kliniken), in Göggingen, einem Stadtteil von Augsburg. Beauftragt hatte es der Hofrat Friedrich Hessing, der Entwurf stammte vom Architekten Jean Keller. Heute ist es das einzige erhaltene Multifunktionstheater in Glasund Gusseisenkonstruktion aus der Gründerzeit.

  • Eröffnung: 25. Juli 1886
    ab 1887: Operetten-Aufführungen, Lustspiele, Konzerte im elektrifizierten Festsaal (Leipziger Illustrierte: „feenhafte Pracht“).
  • 16. März 1918: Nach dem Tode Hessings wird es in eine Stiftung überführt. Aufführungen bis 1932.
  • Verwendung als Kino. Keine Zerstörung im Krieg.
  • ab 1945: Neue Musikbühne von Ralph Maria Siegel. Fenster werden zugemauert, Leichtbau-Zwischendecken eingezogen.
  • ab 1950 wieder Kino, Ballsaal an Silvester und Fasching.
  • 1951: Augsburg als Trägerin der Stiftung verkauft das Gebäude an den Pächter. Letzter Fasching 1971.
  • 1. Juli 1972: Augsburger Bauunternehmen kauft das Gebäude „auf Abbruch, um Hotels und Wohnhäuser zu errichten“.
  • Am Nachmittag des 30. Oktobers 1972 zündeln fünf Buben im Alter von 13 und 14 Jahren im leerstehenden Gebäude, es kommt zu einem Großbrand. Nun ist wirklich nur noch eine Abbruchruine übrig.1
  • Durch Presseberichte über das einstige Juwel wandelt sich die öffentliche Meinung.
  • 1975: Sanierung wird auf 5,4 Millionen Mark veranschlagt. Ein Notdach wird angebracht. Jahre vergehen.
  • 1988: Stadt Augsburg und Bezirk Schwaben gründen Sanierungszweckverband. Mit Architekt Egon Kunz wird die Sanierung eingeleitet.
  • Es entsteht das „Parktheater im Kurhaus Göggingen“, Eröffnung am 2. Februar 1996. Die Baukosten von 25 Millionen DM (Stand 1996) teilen sich die Stadt Augsburg, der Bezirk Schwaben und das Land Bayern aus Mitteln der Städtebauförderung und der Denkmalpflege.
1) „Vor 45 Jahren brannte das Kurhaus“, von Franz Häussler. Augsburger Allgemeine vom 2.11.2017

REGELMÄSSIGE PRÜFUNG FÜR WEITGESPANNTE TRAGWERKE

Im Jahr 2018 äußerten die jetzigen Betreiber, die Kurhaustheater GmbH, eine „Prüfabsicht zur Tragwerksuntersuchung“ gegenüber der LGA. Eine solche „eingehende Tragwerksprüfung“ (Bezeichnung nach VDI RiLi 6200 – Bauwerksprüfungen im Hochbau) soll, beispielsweise bei Gebäuden mit weit gespannten Dachtragwerken und Publikumsverkehr alle 12 bis 15 Jahre stattfinden. Die LGA in Augsburg hatte zuletzt anlässlich der großen Renovierung 1996 Berechnungen zum Tragwerk des Parktheaters geprüft. Nun galt es zu ermitteln, ob der Lauf der Zeit, Wettereinflüsse, Schneelasten o. Ä. das Tragwerk, das im Wesentlichen aus genieteten Stahlträgern besteht, beeinträchtigt haben und ob die Sicherheit weiterhin gewährleistet ist. Die Bestandsaufnahme des Ist- Zustandes geschieht im Regelfall, indem der Prüfingenieur mit einer Hebebühne unters Dach fährt und die relevanten Teile des Tragwerks „handnah“ in Augenschein nimmt. Die „handnahe“ Betrachtung ist „das A und O der Untersuchung: Nur handnah können optische Auffälligkeiten sinnvoll beurteilt werden. Und nur so kann z. B. das Echo des Prüfhammers auf dem Bauteil eine Aussage über dessen Unversehrtheit liefern“, so beschreibt Dipl.-Ing. Richard Peters vom LGA Prüfamt für Standsicherheit Augsburg die Herangehensweise im Regelfall.

Sven Homburg: „Solche interdisziplinären Herangehensweisen für schwierige Aufgaben nehmen inzwischen zu. Für die LGA sind das willkommene Herausforderungen. Im Ergebnis zeigt sich, was ein großer, breit aufgestellter Dienstleister für Sicherheit und Qualität am Bau leisten kann.“

WAS TUN, WENN TRAGWERKSTEILE NICHT ZUGÄNGLICH SIND?

Das Tragwerk des Parktheaters ist jedoch nicht zugänglich, nicht von oben, nicht von unten, wo es durch eine Art moderne Rabitzdecke verdeckt ist. Rabitzdecken sind häufig in historischen Gebäuden anzutreffen. Eine Abhangdecke aus Putzmörtel wird dabei auf ein Metallgitter als Putzträger aufgebracht und ist daher individuell formbar, jedoch um den Preis, dass das eigentliche Tragwerk komplett verdeckt ist. Die übliche handnahe Untersuchung konnte hier demnach nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden, da beim denkmalgeschützten Parktheater keinerlei Zugangsmöglichkeit oder Revisionsöffnung zu diesem Bereich zwischen Dachhaut und Unterdecke besteht. An dieser Stelle des Auftrages kam das LGA-Bauwerksmonitoring unter der Leitung von Sven Homburg ins Spiel.

TEAMWORK INNERHALB DER LGA ERMÖGLICHT NEUE LÖSUNGSWEGE

Im Team mit dem leitenden Baudirektor Michael Hanrieder (LGA Augsburg), dem Abteilungsleiter der LGA Bautechnik Dipl.-Ing. Sven Homburg (Nürnberg) und dem Projektleiter Dipl.-Ing. Richard Peters wurde diskutiert, wie trotz der Sicht- und Zugangsbeschränkungen ingenieurmäßige Lösungen im Sinne einer Tragwerksprüfung ermöglicht werden können. Hier ist die Idee für ein dauerhaftes Monitoring des Tragwerkes entstanden. Anhand der alten Pläne wurde ein eigens auf dieses Bauwerk zugeschnittenes Messsystem entwickelt. Für die globale (nicht: punktuelle) Überwachung des Dachtragwerks wurden vier Drähte gespannt und von innen montiert. Diese Drähte verfügen über eine Invar-Legierung ( Eisen-Nickel-Legierung mit einem sehr geringen Wärmeausdehnungs- Koeffizienten), die sich bei den zu erwartenden Temperaturen nicht in ihrer Länge ändert. Dokumentiert wird das Verformungsverhalten des Tragwerks aufgrund von Witterungseinflüssen (Schnee, Stürme, Starkregen) und Temperaturschwankungen. Durch langfristige Beobachtung der typischen Bauwerksbewegungen, wohl im Bereich weniger Millimeter, bzw. nur 1/10-mm, können das Auftreten atypischer Verformungen frühzeitig erkannt und geeignete Maßnahmen zum Erhalt des Tragwerks rechtzeitig ergriffen werden.

IMPULSE - Kunden-journal kostenlos abonnieren

Die IMPULSE erscheint zweimal jährlich, im Sommer und im Winter jeweils als Online- und Printausgabe. Gerne senden wir Ihnen die IMPULSE kostenlos zu per:

IMPULSE E-Mailversand
IMPULSE Postversand

Google reCaptcha: Invalid site key.

Finden Sie Informationen zu unseren Dienstleistungen, Projektreferenzen, Standorten, Stellenanzeigen oder aktuellen Artikeln in unserer Volltextsuche.