LGA Wie berechnet man einen Elefanten­anprall?

Wie berechnet man einen Elefanten­anprall?

Peter Budig

Eine spezielle Prüf­anforderung für die LGA in München

Für die Festigkeit der Trennscheibe im Elefantenhaus von Hellabrunn gab es keine Normdaten. Prüfer, Bauherr und Baugenehmigungsbehörde haben trotzdem einen Weg gefunden – auch für die anspruchsvolle Kuppel-Stahlkonstruktion.

Es sind prächtige Mädels, sie heißen Temi, Mangala, Panang und Steffi, die sich tänzelnd nähern, bis zum unter Strom stehenden Stahlseil. Locker lassen sie den Rüssel baumeln, und wenn eine schnaubt, dann stiebt der Staub am Boden auf und es klingt wie eine Staubsaugerexplosion. Doch diese schlauen Riesinnen mit den netten Äuglein sind nicht ganz ohne: „Nicht zu nahe hingehen“, warnt Beatrix Köhler den Journalisten. Die leitende Zoologin ist für die Tiere in Hellabrunn, dem Münchner Tierpark, zuständig, seit 33 Jahren arbeitet sie hier. „Die haben nicht so viel zu tun und sind sehr klug. Ihre Kamera könnte schnell weg sein“, schmunzelt die Expertin. Beeindruckend, die über drei Tonnen schweren, weiblichen Asiatischen Elefanten, die – zusammen mit dem Bullen Gajendra, der etwas später als die Kühe wieder eingezogen ist – im Elefantenhaus im Münchner Tierpark Hellabrunn leben.

Das Münchner Elefantenhaus wurde 1914 vom „Villen-Architekten“ Emanuel von Seidel errichtet. Kein Wunder, dass es mit seiner imposanten, 18 Meter hohen Kuppel schnell zum Wahrzeichen des Münchner Zoos wurde, war Seidel doch der Architekt für die imposanten Villen der Reichen und Berühmten. Bis zu seinem Tode 1919 gestaltete er auch das Deutsche Museum in München mit und sein „byzantinisches“ Elefantenheim war eine Schau! 2011 sollte das unter Denkmalschutz stehende Haus renoviert werden. Dabei trat zutage, dass nicht nur Farbe und Fenster im Lauf der Zeit gelitten hatten, sondern auch die Statik beeinträchtigt war. Die Schäden waren schlimmer als zunächst vermutet: 2014 musste die Kuppel gesprengt werden, auf YouTube gibt es dazu eindrucksvolle Aufnahmen. Sie wurde als Stahlkonstruktion wieder errichtet. Insgesamt dauerte die komplette Renovierung bis 2016. Für die Zeit der Bauarbeiten wurde auf der Freianlage des Elefantenbullen ein provisorisches Elefantenhaus errichtet, das für den Publikumsverkehr nicht geöffnet war. Ende Oktober 2016 wurde das Elefantenhaus wieder eröffnet.

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Millionen Euro kostete der Neu- und Umbau. Dabei wurde das alte Erscheinungsbild weitgehend gewahrt, gleichzeitig aber nicht an moderner Ausstattung gespart: 1000 qm Fläche, 90 qm für die große „Badewanne“, die 215.000 Liter Wasser fasst, zwei weitere Becken und eine große Staubfläche. „Ein Paradies für die Elefanten“, strahlt Zoodirektor Rasem Baban. Eine 20 Meter lange Glasabtrennung ermöglicht den Besuchern, den Elefanten beim Baden, Spielen, Einstauben zuzusehen. Gerade diese für den Besucher reizvolle Möglichkeit stellte die Prüfer vor eine knifflige Aufgabe: „Wie soll man wissen, was ein ‚Elefanten-Anprall‘ gegebenenfalls bewirkt?“, so LGA-Ingenieur Matthias Franz vom Münchner Prüfamt für Standsicherheit. Dafür gibt es keine „Normdaten“. Erfahrungswerte des Stahl- und Glasbau-Experten Prof. Ömer Bucak aus München, der Versuche für die Glasabtrennung des Eisbärengeheges gemacht hatte, Pendelschlagversuche der TU Dresden und ein zoologisches Gutachten des Tierparks Hellabrunn gaben belastbare Werte an die Hand. „Wir haben schließlich mit fünf Tonnen Horizontallast als statische Ersatzlast gerechnet“, so Franz. Bis zu 60 mm starke Scheiben aus vier verklebten Einzelschichten trennen nun Besucher und Elefanten. Als Tierpfleger Robert Ostermeier in den leeren Futterraum für den alleine speisenden Elefantenbullen führt, ist im Hintergrund ein heftiges Pumpern zu hören. Ostermeier, der nach dem neuen Pflegekonzept mit den grauen Riesen „geschützten Kontakt“ pflegt und nicht mehr zu ihnen ins Gehege tritt, weiß, was los ist: Gajendra, der Bulle in der Herde von Hellabrunn, meldet seine Bedürfnisse an: „Er hört uns und weiß, dass Fütterzeit ist. Er will jetzt rein.“

HERAUS­FORDERUNGEN FÜR DEN PRÜFER

Matthias Franz erinnert sich: Bei Bauwerksuntersuchungen stellte sich heraus, dass die über einem elliptischen Grundriss von ca. 29 x 37 m gespannte, historische Eisenbeton-Kuppel erhebliche Schäden aufwies. Die neue Kuppel sollte nicht mehr aus Beton und Eisen, sondern als Stahlkonstruktion errichtet werden. Im Verlauf der Sanierung musste an Bestandsbauteilen, die eigentlich erhalten bleiben sollten, immer wieder festgestellt werden, dass eine ausreichende Tragfähigkeit nicht mehr gegeben war. Hier war im Sinne des Baufortschritts bei Planern und Prüfern Flexibilität gefragt.

STATISCHE RAND­BEDINGUNGEN

  • Stützenfreie Hauptkuppel in Form eines Schildkrötenpanzers auf elliptischem Grundrriss von ca. 29 x 37 m
  • An vier Ecken kegelförmige Nebenkuppeln, durch die eine horizontale Halterung der gesamten Dachkonstruktion gewährleistet werden muss
  • Vermeidung von Zwängungsbeanspruchungen auf das zu erhaltende Bestandsmauerwerk durch neue, „schwimmende“ Lagerung der ca. 650 Tonnen schweren Kuppelkonstruktion Verstärkung von Bestandsstützen und -fundamenten aus Eisenbeton in baubegleitender Planung
  • Zwängungsfreie obere Halterung der Bestandswandkronen an der neuen Stahlhauptkuppel
  • Lasten aus „Elefanten“-Anprall auf die Trennscheibe zum Besucherraum

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